Nach tagelangem Marsch war ich nun an einem Punkt in dieser Wildnis
angelangt, zu dem sicher noch kein Mensch vorher gekommen war.
Ich war hier völlig allein und auf mich gestellt. Nur einzelne
Vogelstimmen waren zu hören. Wo ich genau war, konnte ich
nicht sagen, denn ich steckte bis zum Hals in Dornbüschen
und sehen konnte ich nur gegen eine steile Felswand. Zur linken war immer noch die Felswand. Ich sah, dass ich auf einem Felsplateau stand und konnte nach rechts in ein Tal blicken, dessen Anfang und Ende nicht zu sehen war. Ich war durchwegs zufrieden mit meiner Lage. Vor eine Woche war ich aus dem Gefängnis entflohen, das für mich für die nächsten paar Jahre reserviert war. Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte, und ich hatte auch kein Geld. Mein einziger Gedanke war, irgendwie wegzugehen wo mich nie jemand finden würde, und ich wollte nach einigen Jahren zurückkehren, wenn ich nicht mehr gesucht werden würde und meine Tat verjährt war. Ich stahl eine Axt und ein Gewehr, um das Nötigste zum Überleben zu haben, und marschierte in die Berge hinauf. Ich bog bald vom Weg ab in die Wildnis hinaus. Ich ging Tag und Nacht ohne viel zu essen, überquerte Flüsse und stieg Felsen hinauf. Ich musste wohl oder übel für die nächsten Jahre Einsiedler sein. Das Wichtigste war nun, einen Platz zu finden, an dem ich ein Haus errichten konnte und wo es Wasser gab. Also ging ich weiter in den Wald hinein. Nach einigen Stunden fand ich endlich einen günstigen Platz. Es war eine kleine Waldlichtung auf einem Felsvorsprung. Gleich vor mir ging es in die Tiefe, aber ich hatte so einen guten Ausblick. Neben mir ergoss sich ein Bächlein über die Felskante. Es kam aus einer Quelle aus dem Fels und sammelte sich gerade danach in einer kleinen Mulde, in der sogar noch einige Fische schwammen. Fürs erste hatte ich also etwas Nahrung - später müsste ich dann jagen gehen. Nachdem es mir gelungen war, ein Feuer zu entfachen und ich mich mit einem Fisch gestärkt hatte, begann ich, Bäume für ein Haus zu fällen. Ich war in solchen Sachen nicht ungeschickt und brachte in vier Tagen ein anständiges Blockhaus zusammen, auf welches ich recht stolz war. Ich machte mir aus Blättern ein weiches Bett, legte mich drauf und begann erstmals nachzudenken. Ich hatte schon etwas Angst vor der Wildnis und der Einsamkeit hier. Ich müsste mir vielleicht ein oder zwei Haustiere abrichten. Aber zuerst musste ich mich von den tagelangen Überanstrengungen erholen, im wieder zu Kräften zu kommen. Inzwischen war etwa ein Jahr vergangen, ohne dass ich je einen Menschen gesehen hatte. Meine Haare und mein Bart waren sehr lang geworden und meine Kleidung beinahe ganz zerfetzt. Aber ich hatte mich an das Leben hier gewöhnt. Ich kam mir wie ein kleiner Robinson Crusoe vor. Ich hatte selbstgemachte Werkzeuge und Waffen, Vorräte und einen Dachs als Haustier. Auch musste ich nie hungern oder Durst haben. Eines Nachts hörte ich plötzlich ein leises Krachen oder Scharren an der Haustür. Ich schreckte auf und stürzte zur Tür. Aber es war keiner zu sehen. Nur eine Gestalt sah ich noch undeutlich im Gebüsch verschwinden. Mir war das unheimlich. Ich hatte es hier vielleicht mit einem Verfolger zu tun, oder einer ganzen Horde von Leuten, die mich aufgespürt hatten. Ich war auch zu tiefst gereizt, denn ich schien nicht allein in meinem Revier zu sein. Irgendetwas hatte es gewagt, meine Gegend zu betreten und mich zu bedrohen! Ich beschloss, diesen Gegner ausfindig zu machen und ihn dann auszulöschen. Schliesslich wollte ich nicht ins Gefängnis zurück. Am nächsten Tag auf der Jagd hörte ich neben mir aus dem Unterholz Schritte, die mir folgten. Als ich dorthin rannte, entfernten sie sich rasch. Ich ging zur Hütte zurück, packte so viele Vorräte ein, wie ich tragen konnte und ging wieder dorthin, wo ich die Spur verloren hatte. Ich warf einige Steine in die Büsche. Plötzlich vernahm ich ein Geräusch, das von einem Revolver oder Handschellen herrühren konnte. Das musste der Sheriff sein. Ob er mich noch erkennen würde, da ich doch so verwildert aussah? Die Polizei musste doch schon lange denken, dass ich tot sei. Ich musste den Rivalen finden! Ich musste ihn finden, bevor er mich gemein überraschen würde! Ich musste wachsam und geschickt wie ein Wolf sein. Die Schritte mussten jetzt vor mir sein. Hatte er meine Spur verloren? Ich hatte jetzt seine Witterung aufgenommen. Ich war bereits vier Tage hinter ihm her, ohne ihn auch nur einmal zu Gesicht bekommen zu haben. Meine Vorräte waren auch am Ausgehen. Ich hatte mich hier vollständig verirrt. Wer weiss, vielleicht ging ich auch im Kreis umher. Meine Kräfte schwanden. Auch am folgenden Tag konnte ich ihn nur hören. Ich hatte nun Fieber bekommen und hatte seit einem Tag nichts mehr gegessen. Trotzdem schleppte ich mich mühsam weiter. Zeitweise ging ich auf allen Vieren.
Aber wenn man mich schon fangen wollte, warum zeigte sich oder
griff mich nie jemand an? Der Rivale hatte nun angehalten. Irgendwo
hielt er sich versteckt und beobachtete mich. Den ganzen Tag lang
hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Vielleicht wartete
er auf Verstärkung. Ich war nun wirklich am Ende meiner Kräfte.
Ich hatte Schüttelfrost- und Fieberanfälle und prallte
dauernd gegen Bäume. Ich hatte keine Orientierung mehr und
rechnete nicht damit, hier wieder fortzukommen. Wenigstens konnten
sie mich dann nicht mehr ins Gefängnis stecken. Copyright © März 1983, Wasty, Rivalen
Last updated February 12, 2001 by Martin Mathis, e-mail lastbandit.com |